Wundervoll wahnsinnig
Süddeutsche Zeitung
by Egbert Tholl
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Die aus Kansas stammende Mezzosopranistin Joyce DiDonato ist eine Meisterin ihres Fachs. Nun verblüfft sie einmal mehr: indem sie so schrecklich singt wie nie zuvor.
Am Ende hat sie es geschafft. Sie sang in der Carnegie Hall in New York, im Zentrum der klassischen Musik der Vereinigten Staaten, ach was, der Welt. Das war am 25. Oktober 1944. Einen Monat später war sie tot. Aller Wahrscheinlichkeit nach deshalb, weil sie die Kritiken gelesen hatte. Zum ersten Mal in ihren Leben – sie war damals 76 Jahre alt – erfuhr sie mit voller Härte, was andere von ihrem Gesang hielten. Florence Foster Jenkins, kurz FFJ, gilt als die schlechteste Sängerin aller Zeiten. Faszinierend ist sie bis heute: Gerade lief im Kino die halbdokumentarische “Florence Foster Jenkins Story” an, am 24. November folgt ein Spielfilm über sie mit Meryl Streep in der Hauptrolle.
Nun können viele Leute nicht singen, tun es dennoch, aber eher unter der Dusche und nicht in der ausverkauften Carnegie Hall. Die meisten derjenigen, die im Privaten dunkel vor sich hinbrummen oder scheppernd gegen die Umwelt anplärren, wissen, dass sie nicht gescheit singen können. Florence Foster Jenkins wusste das nicht. Hört man heute Aufnahmen mit ihr, so erlebt man Unvorstellbares. Sie singt nicht einfach falsch, sie trifft überhaupt keinen Ton, tut dies aber mit einer Inbrunst, die mit nacktem Wahnsinn nur sehr unzureichend beschrieben ist. Es gibt zum Beispiel eine Aufnahme von ihr mit der Rachearie aus Mozarts “Zauberflöte”, ein Stück, das wegen seiner Koloraturen gern zu Opernparodien aller Arten missbraucht wird. Bei Foster Jenkins klingt das in etwa so, als werde ein Plattenspieler von einem Motor mit extremen Kreislaufschwankungen angetrieben und die Nadel eiere in der Rille hin und her.