Der Tagesspiegel
by Susanne Kippenberger
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Bevor Joyce DiDonato Opernsängerin wurde, flambierte sie als Kellnerin Tournedos Rossini am Tisch. Warum sie gerne Männer spielt – und nach dem Auftritt Bier braucht.

Frau DiDonato, Kritiker feiern Ihren Gesang als „göttlich“, „engelsgleich“ und „überirdisch gut“. Sind Sie schon im Himmel oder noch auf Erden?

In letzter Zeit eher in der Hölle angesichts der politischen Situation in den USA. Ich lese Kritiken mit großer Distanz, weiß, dass man heute gefeiert und morgen niedergemacht wird. Mein Barometer ist das, was im Theater passiert. Wenn das Publikum so gebannt ist, dass niemand hustet, man das Gefühl hat, alle halten den Atem an – das ist alles, was ich brauche. Mehr noch als den Applaus am Schluss. Sicher ist der wunderbar, aber manchmal wirkt er auch etwas gezwungen. Die Leute denken: Oh, dies ist Placido Domingo, da müssen wir aufstehen. Aber diese kollektive Ergriffenheit, die kann man nicht vortäuschen.

Dann heben Sie ab?

Es ist ein Paradox. Beim Singen geht man ja tiefer und tiefer in seinen Körper. Die Gesangslehrer reden viel über diese Erdung: Deine Beine müssen sich wie Baumstämme anfühlen, die zwei Meter in die Erde wachsen, drei Meter, fünf Meter. Du gehst immer tiefer, damit der Klang hochgehen kann. Ich habe wirklich das Gefühl, ich bin in meinem Körper und Huuuh!, der Atem fegt buchstäblich durch mich durch, fast wie eine Rakete.

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